Heute am 13. März 2020 um 18:00 Uhr haben die Menschen in Italien gemeinsam gesungen, gegen die Angst vor dem Coronavirus, gegen dieses Gefühl des Eingeschlossenseins. Und sie applaudieren allen Helfern, Ärzten, Krankenschwestern, Ordnungshütern, … für ihre Arbeit und wollten und wollen weiterhin unter den Hasgtags #restiamoacasa (bleiben wir Zuhause) #coronavirus #iorestoacasa (ich bleibe Zuhause) zeigen, dass sie vereint sind und keiner allein ist, auch wenn man zu Hause bleiben muss.
Bei meiner Infotour durch das Netz bin ich dabei auf Irene Vella, eine italienische Journalistin gestoßen. Sie hat mit ihrem wunderbaren poetischen Beitrag einer ganzen Nation Hoffnung geschenkt. Mich hat das Gedicht auch tief bewegt und aus diesem Grund habe ich mir die Freiheit genommen, es zu übersetzen.
Und hier ist sie,
die italienische Poesie gegen die Angst vor dem Coronavirus
Denn keinen lässt dieses blöde Coronavirus kalt, doch statt nur offizielle Daten wiederzukäuen, wie wäre es mit etwas Poesie? Italien oder besser Irene Vella macht es vor mit ihrem Gedicht …
Doch der Frühling wusste es nicht
Es war der 11. März 2020, die Straßen waren leer, die Geschäfte geschlossen, die Menschen gingen nicht mehr aus.
Doch der Frühling wusste von all dem nichts.
Und die Blumen blühten
und die Sonne strahlte
und die Schwalben kehrten zurück
und der Himmel färbte sich rosa und blau.
Am Morgen wurde der Brotteig geknetet und der Napfkuchen in den Ofen geschoben.
Es wurde immer später dunkel und das Licht kam früh durch die angelehnten Fenster.
Es war der 11. März 2020 als die Kinder über Gsuite zusammen lernten.
Und am Nachmittag gab es das unvermeidliche Stelldichein mit Tressette*
Es war das Jahr, in dem man nur zum Einkaufen hinausgehen durfte.
Kurz danach wurde alles geschlossen,
auch die Büros.
Das Militär begann die Ausgänge und Grenzen zu bewachen,
denn es gab keinen Platz mehr für alle in den Krankenhäusern
und die Menschen wurden krank,
doch der Frühling wusste es nicht und die Knospen trieben weiter aus.
Es war der 11. März 2020, alle waren in der obligatorischen Quarantäne
Großeltern, Familien und auch die junge Leute.
So wurde die Angst real
und ein Tag schien dem anderen zu gleichen,
doch der Frühling wusste es nicht und die Rosen begannen zu blühen.
Man entdeckte wieder die Freude an gemeinsamen Mahlzeiten,
am Schreiben und daran, neue Ideen zu entwickeln,
am Lesen und dabei mit der eigenen Fantasie davonzufliegen.
Da gab es diejenigen, die eine neue Sprache lernten,
die zu studieren begannen und die letzte Prüfung nachholten, die für das Diplom fehlte,
die verstanden, getrennt vom Leben, wirklich zu lieben,
die aufhörten, sich mit Ignoranz abzufinden,
die das Büro zumachten und ein Gasthaus mit nur acht Plätzen eröffneten,
die eine Verlobte verließen und die Liebe für den besten Freund in die Welt schrien,
die Mediziner wurden, um jedem zu helfen, der es eines Tages nötig hatte.
Es war das Jahr, in dem alle die wahre Bedeutung von Gesundheit und Zuneigung verstanden.
Das Jahr, in dem die Welt anzuhalten schien
und die Wirtschaft den Bach runterging,
doch der Frühling wusste es nicht und die Blüten machten Platz für die Früchte.
Und dann war der Tag der Befreiung da.
Alle waren sie vor dem TV und der Premierminister sagte auf allen Sendern, dass der Notfall vorbei sei
und der Virus verloren hätte,
dass die Italiener alle zusammen gewonnen.
Und so gingen wir auf die Straßen hinaus
mit Tränen in den Augen
ohne Masken und ohne Handschuhe
und umarmten unseren Nachbarn,
so als wäre er unser Bruder.
Und dann geschah es, dass der Sommer kam,
doch der Frühling wusste es nicht und hielt die ganze Zeit an,
trotz allem
trotz des Virus
trotz der Angst
trotz des Todes
Denn der Frühling wusste es nicht
und hat uns allen die Kraft des Lebens gelehrt.
Poesie von Irene Vella
Übersetzung von Katrin Walter
Ich finde das Gedicht überwältigend und es hat mir heute auch geholfen, die ganzen Hiobsbotschaften zu verkraften. Als Freiberuflerin ist man eh immer am Limit, doch im Moment passiert so viel (oder besser es passiert auftragsmäßig so wenig), dass einen die Zukunftsängste doch schon einmal übemannen können.
Irenes Gedicht hat mir wieder Zuversicht gegeben. Danke Irene.
Und wie ist es bei dir? Wie fühlst du dich? Hat dir das Gedicht auch geholfen?
*Tressette ist ein traditionelle italienisches Kartenspiel
Fotos Magnolien, um den Beitrag für Hoffnung in Zeiten des Coronavirus zu illustrieren: Pixabay
Hier kannst du Irenes Facebook-Account (Italienisch) verfolgen und sehen, welchen Widerhall sie in der italienischen Presse seit dem 11. März gefunden hat.
Hat dir meine Übersetzung gefallen und dir auch Trost gespendet? Du kannst dich gern bei mir dafür bebedanken. Danke :)
Ein wunderschönes Zeichen und superschöne Poesie! Uns allen viel Kraft in dieser Zeit!
Grazie Katrin für die Übersetzung. Das Gedicht kreist hier im Netz und ist wirklich sehr ergreifend aber auch zuversichtlich. Hier bei uns ist es schon beängstigend. In den Provinzen Brescia und Bergamo sind die Krankenhäuser am Limit und auch das Personal und die Ärzte. Leider kommt in Italien noch die Politik dazu…
Wir bleiben in Kontakt und gesund.
Eine herzliche Umarmung und liebe Grüße nach Berlin
Ruth
Das ist alles so schoen geschrieben in einer schweren Zeit, vielen Dank. ♥️
ja, das finde ich auch ! .. ganz wunderbar .. Vielen Dank dafür ***
Sehr schönes Gedicht. Ich finde vor allem den Teil nach der TV-Meldung herzergreifend. Bis dann alles Liebe
Nur GEMEINSAM sind wir stark!
Ich finde es toll, wie die Menschen in Italien und Spanien zusammenhalten. Bleiben wir hoffnungsvoll.
Ein wunderbares Gedicht Danke.
Hallo Katrin, es ist ein wunderbares Gedicht und eine sehr schöne Übersetzung. Dankeschön dafür . Es spricht mir direkt aus der Seele. Ich hätte es nur nicht so schön sagen können. Es ist auch, was ich von Anfang an gesagt habe: Vielleicht gehen die Menschen in Zukunft achtsamer miteinander und mit der Natur um.