Alfonso Pellegrini: Maremma, mon amour

Auf dem Foto sieht man Alfonso Pellegrini verschmitzt lächeln. Teaserfoto für das Interview von Katrin Walter mit ihm. Foto: Exner
Alfonso Pellegrini (Foto: Exner)

Schon wieder reden wir von einem Sangiovese aber eigentlich auch nicht, denn der Produzent Alfonso Pellegrini vom Podere Castellaccia schwärmt die ganze Zeit von „seiner“ Maremma. Kein Wunder, er ist dort geboren und hat sein ganzes Leben dort verbracht und Reisen würde er nur, um sich zu vergleichen und dann seinen Wein anschließend noch besser zu machen. Ein wahrer Patriot, der den besonderen Reiz und die Ursprünglichkeit dieses Landstriches im Süden der Toskana immer wieder neu beschreibt. Und irgendwie passt seine Gesinnung gut in unsere Zeit und die Erinnerung, darüber nachzudenken, was und wie viel wir wirklich brauchen.

Interview mit Alfonso Pellegrini

Katrin Walter (KW): Name?
Alfonso Pellegrini (AP):  Alfonso Pellegrini

KW: Wann und wo geboren?
AP: In Grosseto am 13.12.1941

KW: Wie heißt Ihr Weingut und wo befindet es sich?

AP: Podere Castellaccia. Wir sind ein Weinbaubetrieb. Wir produzieren den Wein, füllen ihn ab und kultivieren die Reben aber auch Oliven und bieten in unserem Agriturismo* Appartements und Zimmer für einen erholsamen Urlaub an. Podere Castellaccia liegt im Süden der Toskana, in der Provinz Grosseto, im Gebiet der Maremma. Der Betrieb selbst liegt auf einem Hügel, von dem man einen Panoramablick hat auf das nahe Meer und die wunderschöne Umgebung.

KW: Das sind wohl auch die Dinge, die das Besondere der Maremma ausmachen und von dem Rest der Toskana unterscheidet? Was macht ihrer Meinung nach den Reiz aus?

AP: Die Maremma ist meiner Ansicht nach ein Mikrokosmos im südlichen Teil der Toskana (und im nördlichen Teil des Latiums). Sie unterscheidet sich als ein Gebiet mit tausend Facetten und Ausprägungen, die noch aus uralten Zeiten herrühren. Die Maremma entdeckt man fast immer zufällig, nachdem man die, in der ganzen Welt berühmten Kunststädte der Toskana eingehend ergründet hat oder man sich auf der Durchreise Richtung Rom befindet oder auf dem Rückweg von Montalcino oder Bolgheri und hier eine Rast einlegt. Dann entdeckt man mit Bewunderung und Überraschung eine Ecke der Toskana, die man so nicht erwartet hätte, auch wegen der vielen Möglichkeiten, die sie offeriert. Um nur einige zu nennen: das Meer, die herrlichen Strände von der Costa d’Argento (Silberküste) bis nach Castiglione della Pescaia, Thermalbäder wie Saturnia und Sorano, die Etruskerstätten wie Roselle, Vetulonia und Vulci, die alten mittelalterlichen Ortschaften wie Pitigliano, Sovana, Massa Marittima, die Naturschutzgebiete des „Parco della Maremma“ und „Parco dell’Uccellina“, sowie einige WWF-Naturschutzprojekte, „Oasi“ genannt.

Auf dem Foto sieht man einen Teil der Weingärten und Olivenhaine von Podere Castellaccia von Alfonso Pellegrini. Foto Podere Castellaccia
Podere Castellaccia – Teilansicht der Weingärten und Olivenhaine von Alfonso Pellegrini (Foto: Podere Castellaccia)

KW: Da gibt es ja wirklich viel zu entdecken.

AP: Ja, das sind alles Naturschönheiten für die Liebhaber eines Lebens an der frischen Luft, der Natur und eines Gebietes noch frei von Umweltverschmutzung. Dieses Territorium ist gekennzeichnet durch zahlreiche Reservate, die den Wert unterstreichen, den die Natur uns hier geschenkt hat. Noch bis vor Kurzem war die Maremma ein missverstandenes Gebiet wegen der Hiobsbotschaft des Ausbruchs der Malaria. Nach dem Rekultivierungsprogramm blühte sie allerdings wieder auf.

Zu Zeiten unserer Großväter war die Maremma ein wildes, urwüchsiges Gebiet, unberührt und bestand vorwiegend aus Wäldern und Weideland. Durch das hier betriebene Modell der Landwirtschaft, das fast nur darauf ausgerichtet war, den Lebensunterhalt zu erwirtschaften, ist das Gebiet praktisch unverändert geblieben. Und noch heute ist es noch in vielen Arealen unbewohnt und zeigt die originalen Landschaften und viel „Unberührtheit“. Das alles macht die Maremma um Grosseto zu einem ländlichen Distrikt, was genau auch ihre Stärke darstellt: Hauptsächlich wird hier Getreide kultiviert, die Rebe mit der angeschlossenen Weinproduktion von sehr hoher Qualität, Oliven und es werden Schafe und Rinder (Chianina und Maremmana) gezüchtet und in freier Wildbahn gehalten.

KW: Ein Paradies für Ruhe-Suchende.

AP: Auf jeden Fall und für Gourmets, denn die Maremma hat zudem eine hochklassige gastronomische Kultur und eine große Biovielfalt bei den Nahrungsmitteln und natürlich bereichern die typischen DOCG-, DOC- und IGT-Weine die Tafel.

All die Hügel entlang der maremmanischen Küste sind der große Schatz dieses Territoriums, sie bestehen aus sandig-lehmigen bis kalk- und mergelhaltigen Böden. Das Klima ist vorwiegend mediterran und dank des Einflusses des nahen Meeres sind die Sommer sehr warm und die Winter mild. Eine auch im Sommer andauernde Meeresbrise sorgt dafür, dass die Trauben gesund (ohne Fäulnisbefall) heranreifen können und somit ein ausgezeichnetes Ergebnis bei der Weinbereitung abgeben.

KW: Seit wann produzieren Sie oder Ihre Familie Wein?

AP: Podere Castellaccia ist auch die Geschichte der Familie Pellegrini. Das Podere gibt es schon seit dem 18. Jahrhundert und war anfangs wenig einladend. Nur jemand mit intuitiven Fähigkeiten konnte sein Potenzial erkennen. Sinibaldo Pellegrini, mein Vater, war ein solcher Mann mit Weitblick und kaufte 1936 den Betrieb mit seinem 50 Hektar Land. Seine Arbeit fußte immer auf dem Respekt für die Natur und die Produktqualität. Er war unter den Ersten, der an den Wein- und Olivenanbau glaube und daran, dass die Produkte daraus die Herkunft „Toscana“ in die ganze Welt tragen würden.

Der Betrieb ging in den 60er Jahren an mich über. Aufbauend auf das, was mir mein Vater beigebracht hatte, fällte ich eine wichtige Entscheidung, unseren Wein nicht mehr lose zu verkaufen, sondern selbst abzufüllen und so eine stetige Qualitätsverbesserung zu erlauben nach der alten Regel: „Guten Wein macht man aus gesunden Trauben“.

Heute gibt es einen neuen Führungswechsel, von mir auf meine Töchter Barbara und Sara, die beide mit großem Einsatz, Hingabe und Aufopferung den Betrieb erneuern aber dabei nie den Respekt für die territoriale Identität aus den Augen verlieren. Das Podere Castellaccia ist dabei, sich auch mit dem seit 1998 aktiven Agriturismo zu konsolidieren, neben der Produktion des Weins und Olivenöls auf höchstem Niveau.

Auf dem Foto sieht man die Familie von Alfonso Pellegrini (v.l.n.r.) Barbara Alfonso Loretta Sara
Die Familie von Alfonso Pellegrini (v.l.n.r.): Barbara, Alfonso, Loretta, Sara (Foto: Gianpellegrini)

Mit unserer Arbeit und Leidenschaft für unser Territorium, für die Tradition und Kultur unseres wunderschönen Landes sowie durch eine limitierte Produktion erhalten wir eine exzellente Qualität unserer Weine, auf die wir sehr stolz sind.

Darum kann man auch sagen, dass unser Betrieb – mehr noch als all die genannten Aktivitäten – das Leben einer ganzen Familie über mehrere Generationen darstellt. Es ist das Leben unserer Familie und wir glauben an den Wert „Respekt“, Respekt für unser Land, auf dem wir leben und arbeiten und das es gilt, noch mehr aufzuwerten.

Katrin Walter: Welches ist Ihr Lieblingswein aus Ihrem Sortiment und warum?

Alfonso Pellegrini: Der von mir präferierte Wein ist der Morellino di Scansano Riserva „Castellaccia“ (Sangiovese 85%, Ciliegiolo 7%, Canaiolo 5%), weil er durch seine lange Reifung von 15 bis 18 Monaten in großen Fässern aus französischem Eichenholz mit einem Fassungsvermögen von 2.000 Litern einzigartige Aromen annimmt. Es ist wie ein Sprung mitten in die Duftwelt der mediterranen Macchia begleitet von feinen Noten der Maraskakirsche. Er verwöhnt mit rundem, vollem Körper den Gaumen und berauscht mit der Kraft der Maremma.

KW: Welches ist Ihr Lieblingswein nicht aus Ihrem Sortiment und warum?

AP: Ein besonderer Dessertwein, der Vinsanto aus sehr lockerbeerigen, weißen Trauben (Malvasia Toscana und Procanico), die gekonnt gewelkt werden, bevor man Wein aus ihnen macht. Er schmeckt mir besonders nach dem Essen, zu lokalem trockenen Gebäck, wie den “Brutti ma buoni” (hässlich aber gut) und den Cantuccini. Der Vinsanto ist ein ausgezeichnetes Produkt, das immer schwerer zu finden ist.

KW: Was würdest Sie machen, wenn Sie sich ein Jahr nicht darum kümmern müssten, Ihre Brötchen selbst zu verdienen?

AP: Ich arbeite seit ich 15 Jahre alt bin und in meinem Alter (72) bin ich immer noch nicht in Rente gegangen. Es würde mir gefallen, mich ein Jahr ohne Reue von den vielen täglichen Aufgaben zu entfernen und frei zu reisen zu anderen Weinbaubetrieben in dieser Welt, um andere Horizonte und Lebenseinstellungen, Kulturen und Philosophien zu entdecken und mich mit ihnen auseinanderzusetzen.

KW: Mit welchem Menschen würden Sie gern einmal Ihren Lieblingswein trinken und warum?

AP: Mit dem großen Oenologen Giacomo Tachis wegen seiner überwältigenden Klarheit, Einfachheit und seiner herausragenden Kompetenz in unserem Sektor.

KW: Haben Sie noch einen anderen Traum?

AP: Es so hinzubekommen, dass die Qualität und die organoleptischen Eigenschaften des Weins im Folgejahr jedes Mal besser werden. Wir tun alles dafür und investieren in Maßnahmen für mehr Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit und setzen Energie aus erneuerbaren Quellen im Betrieb ein, wie die Sonnenenergie durch Fotovoltaik.

KW: Und was möchten Sie der Welt sonst noch mitteilen?

Alfonso Pellegrini: Unsere Produkte sind die Früchte eines Gebiets, dass bereits seit den Etruskern als für die Weinproduktion sehr gut geeignet gilt. Darum möchten wir gern jeden herzlich zu uns einladen, diese magische Welt der guten Weine mit uns, dem Produzenten, zu teilen. Besucht die Schönheiten eines landwirtschaftlichen Betriebes mit atemberaubendem Panorama auf den sanften Hügeln der Maremma mit dem Meer am Horizont!

Katrin Walter: Vielen Dank für das Interview und das Teilen Ihrer Leidenschaft.

Man sieht den ernormen Verkostungsraum im Weingut Podere Castellaccia von Alfonso Pellegrini - Foto: Gianpellegrini
Der Verkostungsraum im Weingut Podere Castellaccia von Alfonso Pellegrini (Foto: Gianpellegrini)

Kontaktdaten: Podere Castellaccia Azienda Agricola di Alfonso Pellegrini
Strada Grillese 1 nr. 28 – Zona VIII – 58100 Grosseto – Italien
Telefon+Fax +39 0564 406012 – www.poderecastellaccia.com

* Agriturismo bedeutet hier im Fall von Castellaccia „Urlaub auf dem Bauerhof“, weil man wirklich Zimmer buchen kann. In Italien kann jedoch ein „Agriturismo“ auch heißen, es gibt einfach nur eine Trattoria oder ein Restaurant mit Produkten aus eigener Produktion.

 

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