Zuerst denkst du dir natürlich, was für ein Quatsch, Weinlese mit Eseln, denn Esel sind störrisch und machen was sie wollen und am Ende fressen sie dir vielleicht sogar den Weinberg leer und wovon macht der Winzer dann seinen Wein? Oder man denkt an die Erntehelfer, die sich ungeschickt anstellen, als echte Esel eben, und über die sich die Winzer beschweren, denn gute Leute sind – wie überall – schwer zu bekommen. Oder wären wir im Weingut Eingeladenen gar selbst die Esel, welche die Ernte in den Keller schleppen sollten?
Das sind so die Gedankenspiele, die man anstellt, wenn man so gar keine Ahnung hat.
Alles ganz anders: Weinlese mit Eseln im wörtlichen Sinn
Daniele Malavasi, hingegen, weiß ganz genau, was er tut, als es sich entschließt bei der Weinlese 2013, Esel einzusetzen. Er hatte selbst einmal einen Eselzuchtbetrieb und, wie auch seine Frau Gloria, eine große Leidenschaft für diese Tiere: „Wir arbeiten zum ersten Mal mit diesen besonderen Erntehelfern zwischen den Rebenreihen, weil wir mit dem Einsatz der Vierbeiner, einen Beitrag zur Reduzierung der Umweltbelastung leisten wollen. Wir sind davon überzeugt, dass der Einsatz der Tiere auch eine soziale Wertigkeit hat und denken sogar über eine Art Tiertherapie nach, die das Leben in der Landwirtschaft mit den Tieren begleitet. Ein erstes Experiment dazu fand am 4. Oktober 2013 statt, um die Richtung zu verstehen, in die diese Idee gehen kann.“
Neben dem Umweltaspekt und der Vermeidung von schwerem, mechanischem Gerät im Weingarten durch die Hilfe der Esel beim Einsammeln und Transportieren der Kassetten, unterstreicht Daniele besonders den sozialen Aspekt: „Wir wollen der Bezugspunkt für ein Projekt sein, das auch therapeutische Zwecke verfolgt, was nicht unbedingt heißt, eine Krankheit zu kurieren, sondern den Gästen in unserem Weingut, Kindern wie Erwachsen, bei der Weinlese oder anderen Aktivitäten mit Eseln den Rhythmus der Natur näherzubringen und Ihnen so zu helfen, aus Ihrem Alltag auszubrechen.“
Petit Verdot im Lugana-Land
Der Betrieb Malavasi liegt in Pozzolengo, in der Nähe von Sirmione, am Gardasee. Hier ist das Land des bekannten Lugana Weins. Beim Projekt mit den Eseln geht es jedoch um Petit Verdot als Hauptakteur, neben den Eseln versteht sich. Der Wein, der daraus dann einmal entstehen soll, wird „Mulinero“ heißen. Er soll nach drei Jahren Reifezeit auf den Markt kommen und so ähnlich, wie ein Amarone (von der östlichen Seite des Gardasees) vollmundig und samtig sein, jedoch in diesem Fall reinsortig aus 100 Prozent Petit Verdot. “Das Geheimnis ist, die Harmonie zwischen dem Ort, der Rebsorte und den alten Überlieferungen zu respektieren und diese magische Verbindung mit neuen Erfahrungen anzureichern“, schwärmt Daniele noch einmal von seinem Projekt.
Seit vier Generationen macht die Familie Malavasi bereits Wein. Genug Erfahrung gibt es also. Die Ernte mit Eseln soll jedoch dam Territorium am Südwest-Ufer das Gardasees einen neuen Aspekt hinzufügen und darauf ausgerichtet sein, sich mehr auf die Natur und die Traditionen zu besinnen. Daniele selbst ist ein Familienmensch und steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Er liebt es, mit seiner Familie und seinen Freunden am Tisch zu sitzen, gutes Essen und den Wein zu genießen, ohne viel Worte:
Einfach unter Freunden sein.
Respekt haben und die anderen sein lassen, wie sie sind, das ist auch das Grundgespür im Umgang mit Eseln. Nicht umsonst werden sie in Therapien für den Aufbau von mehr Selbstvertrauen eingesetzt, zur Wahrnehmungs- und Sensibilitätsschulung, zum Stärken von Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit, zum Beruhigen und zur Hilfe beim Umgang mit Ängsten. Die von uns Laien als störrisch oder dumm wahrgenommene Art der Esel ist, ganz im Gegenteil, Sanftmut, Klugheit und Gutmütigkeit, denn die Tiere sind sehr sensibel wie Seismografen und nehmen Gefahren viel eher wahr als der Mensch.
Und so sieht die Weinlese mit Eseln in Bildern aus:
Er war auf jeden Fall spannend, der Tag bei Malavasi mit den Eseln und ich habe viel über diese Tiere erfahren. Auf jeden Fall werde ich nie wieder „Esel“ als Schimpfwort benutzen. Versprochen!
Und weil es so gut zum Thema passt, offeriere ich euch am Ende noch ein Gedicht von Inge Rosemann aus Norderney:
Hochmut
Man denkt, die Esel wären dumm?
Nun allerdings, zwar sind sie stumm –
doch wenn gesenkten Haupts bescheiden
sie grau gebückt im Grase weiden,
nun ab und zu beim Kräuterkauen
wie träumend in die Landschaft schauen
und friedlich ihre Schwänze schwenken,
dann schweigen sie, um nachzudenken,
denn ihr geduldig sanftes Haupt
ist so viel weiser, als man glaubt,
und wird vom Menschen, der viel schwätzt,
gedankenlos geringgeschätzt,
wenn keineswegs als Kompliment
er einen andern Eseln nennt,
der, wenn er klug ist, stilleschweigt
und dem Vergleich sich würdig zeigt.
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Kontaktdaten: Azienda Agricola Malavasi Daniele
Viale Gramsci 24 – 25019 Sirmione (BS)
Telefon +39 030 9196189 – Fax +39 030 9196189
www.malavasivini.com
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Hallo Katrin,
mit diesen sehr gelungenen Fotos hast Du Dir selber Konkurrenz gemacht, denn man ist schon hin und weg von diesem süßen Esel und möchte gleich das nächste Bild sehen. Aber es ist Dir gelungen, durch deine sehr informative und trotzdem leichte Art, das man doch auch an den Texten zwischen den Fotos nicht vorbei scrollt. Vielen Dank dafür.
Ich überlege schon, ob ich so eine Eseltherapie mal machen sollte.
Beste Grüße
Marlies
Hallo Marlies,
danke sehr. :-)
Lange bevor ich im Oktober bei dieser Weinlese dabei war, hatte ich im Fernsehen einen Beitrag über Esel gesehen, der mich sehr beeindruckt hatte und dort wurde auch die Möglichkeit vorgestellt, mit Eseln Urlaub zu machen. Da ich es gern ruhig mag, sprach mich diese Art von Urlaub auch sehr an. Dann vergesse ich solche Dinge aber wieder, weil es immer viel anderes zu tun gibt.
Als ich die Einladung zu Malavasi bekam, nahm ich sie gern an, weil ich die Idee spannend fand, mich den Eseln zu nähern, was ich auch im Eselforum „Eselwelt“ versuchte. Da dort viele Experten für Esel sind, wurde allerdings sofort bemängelt, dass die Esel unterm Maul Ketten trugen. Das sieht man natürlich nicht, wenn man keine Ahnung hat und für mich waren diese Esel auch nur einfach „süß“ mit ihren langen Wimpern, vor allem die graue Eselin Bastiglia. Wieder etwas gelernt.
Eine beschauliche Vorweihnachtszeit wünscht
Katrin
PS: Wegen einer Eseltherapie am Gardasee sage ich dir Bescheid, wenn Malavasi soweit ist und Daniele dann auch wieder eigene Esel hat, die sie dann hoffentlich ohne Kette führen.
Interessanter Artikel.
Vielen Dank, Marko.