Das hat man ja oft, dass Quereinsteiger das, was sie tun, viel ernster nehmen als Menschen, die ihr Leben lang im gleichen Job sind (Gibt es das heute überhaupt noch?). Und mit Otto Carlo Frueh und seiner Frau Maria Magdalena Schlegel haben wir ein Paradebeispiele von Ehepaar, das seinen Traum lebt. Seit 2001 wohnen sie in Italien und arbeiten an ihrem dritten, großen Projekt in einem spannenden und erfüllten Leben, von dem ich (Katrin Walter) ein paar Details bei Otto Carlo Frueh, genannt Otto, erhaschen konnte.
Katrin: Name?
Otto: Otto Carlo Frueh
Katrin: Schon immer oder ist das eine Reminiszenz an Italien „ü“ mit „ue“ und Carlo?
Otto: Also, meine selige Mutter war Italienerin, sie ist in Nervesa della Battaglia im Veneto geboren. Mein Pate und der Bruder meiner Mutter hieß Carlo. Wie es damals so üblich war, bekam ich als ersten Namen den meines Vaters (dessen Mutter eine Ulmerin war) Otto und den Zweiten eben von meinem Paten. Ich bin also eine „Dreiländermischung“ und ziemlich stolz darauf. Das „ue“ ist einfach eine Kapitulation vor den italienischen Behörden, die aus Früh immer Fruh machten, das sie kein „ü“ auf ihrer Tastatur hatten. Voilà.
Katrin: Wann wurden Sie geboren und wo?
Otto: Am 6. September 1948 in Teufen in der Schweiz.
Katrin: Wie heißt Ihr Weingut?
Otto: La Maddalena als Hommage an meine Frau Maria Magdalena. Ich schulde Ihr sehr viel. Sie hat in allen Situationen und Unternehmungen zu mir gehalten, ist mit mir durch Dick und Dünn gegangen, denn es gab ja nicht nur gute Zeiten. Und sie war immer ein ausgleichender Pol für mich und hat viele Wogen geglättet, die ich vielleicht etwas zu hoch peitschen lies.
Katrin: Seit wann machen Sie Wein? Oder besser wieso sind Sie auf den Wein gekommen, nachdem Sie erst in anderen Branchen aktiv waren und eine Pizzakette in der Schweiz geleitet haben?
Otto: Oh, meine Frau und ich lieben die Abwechslung. Wir sind seit 1969 zusammen (verheiratet seit Mai 1978) und haben uns immer wieder neue Ziele gesteckt. In den 1990er Jahren entstand bei uns beiden der innige Wunsch, Wein herzustellen und es musste italienischer Wein sein, denn wir beide lieben Italien sehr. So besuchte ich die Fachhochschule Wädenswil und ließ mich in der Weinkunde und dem Weinanbau ausbilden.
Im September 2001 zogen wir dann in die Marken und fingen zum dritten Mal in unserem Leben von Grund auf neu an, denn die Böden, die wir gekauft hatten, waren unbestellte Äcker. Bis die vier Hektar Reben, der Olivenhain und der Weinkeller standen, vergingen noch ein paar Jahre und 2005 konnten wir dann endlich unsere ersten Flaschen des „La Goccia Nobile“ abfüllen.
Katrin: Ja viele unterschätzen diese große Vorbereitungsphase und schauen nur auf den Preis einer Flasche. Dass ein Winzer aber nach dem Anlegen der Rebanlage mindestens vier Jahre warten muss, bis die Reben etwas Schmackhaftes abwerfen, wird oft vergessen und auch, das Risiko von schlechtem Wetter und von Ernteausfällen. Bei Ihnen ist es aber gut gegangen und mittlerweile produzieren Sie mehr als den „noblen Tropfen“?
Otto: Ja, heute haben wir 13 Weine im Sortiment,
- vier „Bordeaux-Blends“, also Cabernet Sauvignon mit Merlot,
- zwei Rosso Piceno DOC aus Sangiovese und Montepulciano,
- zwei Marche IGT Rosso, einen aus mehrheitlich Montepulciano und einen aus mehrheitlich Merlot,
- einen Weißwein, also besser ein als Weißwein ausgebauter Wein aus Sangiovese-Trauben, sowie
- zwei Roséweine aus Sangiovese und
- zwei flaschenvergorene Sekte (Metodo Classico) aus hundert Prozent Pinot bianco (Weißburgunder).
Katrin: Welcher ist Ihr Lieblingswein aus Ihrem eigenen Sortiment?
Otto Carlo Frueh: Ich schätze den Carletto des Jahrgangs 2009 sehr, weil er in der Nase und am Gaumen phänomenale Noten aufweist mit einem schönen langen Abgang. Dieser Rotwein besteht aus einer fein abgestimmten Assemblage von mehrheitlich Cabernet Sauvignon und etwas Merlot. Er wurde 18 Monate in Barriques aus bester französischer Eiche ausgebaut und gelagert. Der Wein hat eine tief rubinrote Farbe und sehr intensive Fruchtaromen und erinnert im Duft an Amarena-Kirschen, Pflaumen und Cassis mit Nuancen von Lackritz und Gewürznelken. Die Fassnoten wie Kakao, Vanille und etwas Tabak begleiten diesen harmonischen Wein nachhaltig … er bezaubert einfach die Sinne.
Katrin: Welcher ist Ihr bevorzugter Wein nicht aus Ihrem eigenen Sortiment?
Otto: Ich bin Bordeaux-Fan. Speziell hat es mir das Gebiet der Gironde angetan, nicht nur Mouton Rothschild, es gibt auch andere wunderschöne Provenienzen.
Katrin: Was würden Sie machen, wenn Sie sich ein Jahr nicht darum kümmern müssten, Ihre Brötchen selbst zu verdienen?
Otto: Immer weiter Weinmachen, das ist eine Faszination. Es ist eine hohe Kunst aus Trauben guten Wein zu kreieren und wird meinen ganzen Lebensabend ausfüllen.
Katrin: Mit welchem Menschen würden Sie gern einmal Ihren Lieblingswein trinken und warum?
Otto: Mit Paul Liversedge, er ist der zweite Master of Wine neben Philipp Schwander in der Schweiz. Er ist ein bescheidener Krampfer* mit großartigem Wissen. Gerne würde ich einmal meine Weine von ihm probieren lassen.
Katrin: Haben Sie noch einen anderen Traum?
Otto: Ich möchte einmal der Winemaker des Jahres sein. Und wenn es eine Weinpartei gäbe, wäre ich deren Präsident.
Katrin: Haben Sie noch etwas, was Sie der Welt gern mitteilen möchten?
Otto: Ja, dass wir ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis haben und man uns zu jeder Zeit besuchen kann. Es ist mir immer wieder eine Freude, Weininteressierten unsere Produktion näher zu bringen, alles zu erklären, Fragen zu beantworten und am Schluss eine feine Degustation zu machen und keiner geht bei uns mit leerem Magen weg. Beim Olivenöl sind wir schon zu einem kleinen „Mekka“ geworden und auch beim Wein haben wir immer mehr interessierte Besucher. Wir führen auch vier Weinreisen durch, bisher allerdings nur in der Schweiz.
Katrin: Witzig finde ich auch, dass Sie auf jedem Etikett eine 8 (Acht) stehen haben, obwohl sich das für jemanden, der nicht Italienisch spricht, vielleicht nicht erschließt.
Otto Carlo Frueh: Es stecken viele Überlegungen hinter der Acht. Der Grundgedanke hat mit der Einsparung von Ressourcen zu tun hat: Wenn man jedes Jahr neue Etiketten druckt, erstellt man ja immer zur Sicherheit circa 20 Prozent mehr pro Sorte. Geht dann alles gut, hat man nach der Abfüllung immer einen Haufen solcher Dinger die man einfach wegschmeißen muss. Diese Verschwendung wollten wir vermeiden, denn der Rohstoff Holz wächst ja nicht unendlich.
Die Idee mit der Acht (8) hatte eine Freundin unserer Familie. Die auf der Seite liegende Acht (∞) ist das Symbol der Unendlichkeit und hat ein großes Gewicht in der Wissenschaft. Auf japanisch heißt es アハトAheta und auf chinesisch 阿赫特 Achlicho und bedeutet in beiden Sprachen „wer im 8. Monat des Jahres geboren ist, wird wohlhabend und begütert werden“. Im Deutschen hat der Name Otto ebenfalls die Bedeutung „der Begüterte“.
Aber es hat uns auch gefallen, meinen Namen auf eine andere Art auf dem Etikett zu verewigen, denn 8 wird ja in Italienisch „otto“ ausgesprochen und das reimt sich auch noch auf Motto und so heißt unser Slogan „Nostro motto – tutto OTTO“ oder auf Deutsch „Unser Motto – alles OTTO“ und immerhin bin ich ja Geschäftsführer, Önologe und Kellermeister in einem: alles Otto eben.
Katrin: Danke für das Interview und ich denke bei Ihrer Frau sind Sie nicht nur der Winemaker des Jahres, sondern des Herzens und im Weinführer wein.plus** haben Sie es ja auch schon zu zwei (von drei) Sternen gebracht. Kompliment!
Und ein Tipp zum Schluss: Schau‘ unbedingt auf der Website von La Maddalena vorbei und die Fotos dort an; sie vermitteln das ganze Glück von zwei Menschen, die am Ziel Ihrer Wünsche angekommen sind.
Kontaktdaten: Azienda La Maddalena
Via Fuori il Fosso Nr. 1 – 60010 Monterado
Telefon +39 071 7959166 – Fax +39 071 7959166
www.aziendalamaddalena.eu***
*Ein Krampfer ist ein schweizerischer Ausdruck und bedeutet so viel wie ein „harter Arbeiter“ oder auch „Streber“.
**wein.plus ist das Netzwerk für Wein in Europa im Internet seit 1998 mit Weinführer, Weinglossar und Weinzeitschrift online, in deutsch und englisch für Weinliebhaber und Weinprofis.
Update 2017 zu Otto Carlo Frueh
Otto Carlo Frueh mit seiner Frau Maria Magdalena Schlegel sind in Rente gegangen, haben das Weingut verkauft und auch ihre Website mittlerweile aufgegeben.
Wir wünschen einen fröhlichen Ruhestand!
Wer mag, kann ihr ganzen Glück in Facebook verfolgen.
Spaß beim Lesen gehabt? Hier kannst du dich bedanken (Betrag frei wählbar). Danke sehr!
Das Interview ist wirklich großartig geworden, professionell und mit sehr viel Einfühlungsvermögen … Danke.
Ich muss mich bei Ihnen bedanken, lieber Otto, für die Einblicke in Ihr bewegtes Leben. Es ist wohl auch diese Offenheit und Transparenz, die überzeugt und gleichzeitig Sympathie und Vertrauen vermittelt. Das macht wohl den kleinen Unterschied aus, auch für den geschäftlichen Erfolg.